”Dein Grab in den Wolken, die fliehen“. Über die Pogrom-Gedichte von Moses Rosenkranz und den Lyrikern aus Bukowina
Schoro Pak
Die vorliegende Arbeit will sich anhand der Analyse einiger Gedichte von Moses Rosenkranz,
Immanuel Weissglas und Paul Celan mit der gemeinsamen Erlebniswirklichkeit der aus Bukowiner
stammenden Dichter sowie den Problemen eines Plagiates auseinandersetzen. Anfang der 40er
Jahre lernten sich Rosenkranz, Weissglas und Celan in einem Arbeitslager des von den deutschen
Soldaten besetzten Gebiets in Rumänien kennen. Da unterhielten sie sich gelegentlich über
Welt und Literatur und lasen wechselweise ihre lyrischen Entwürfe vor. Während des zweiten
Weltkriegs hatten die drei jüdische Dichter ein hartes Leben durchzumachen, wobei hinzuzufügen
ist, dass Moses Rosenranz sein tragisches Schicksal auch darüber hinaus noch zu erleiden
hatte: Er wurde nach dem zweiten Weltkrieg als deutscher Spion verhaftet und in einige
sibirische Gefängnisse gebracht, in denen er 10 Jahre lang Zwangsarbeit verrichten mußte.
Kurz: Die Erlebniswirklichkeit der oben genannten Dichter ist so homogen, dass in ihren
Gedichten ähnliche Ausdrücke wie ”das Grab in den Luften“, ”Gretchens Haar“ und ”Der Tod
war ein deutscher Meister“ usw. sozusagen ungemerkt in Erscheinung kamen.
Es war Paul Celan, der die Aussage von Theodor Adorno, ”Barbarisch ist es, nach dem
Auschwitz Gedichte zu schreiben.“ Lügen strafte. Sein Gedicht 「Die Todesfuge」 erregte auf
Anhieb ein großes Aufsehen.. Da wurde Paul Celan neben Günter Eich als einer der wichtigsten
Lyriker der Nachkriegszeit anerkannt. Kurz danach fiel er aber einer von den Massenmedien
geführten, geringfügigen Kontroverse zum Opfer: Ende der 50er Jahre bezichtigte ihn Claire Goll
des Plagiats: Celan hätte im Gedichtband 『Mohn und Gedächtnis』einige Strophen von Ivan
Goll kurzerhand abgeschrieben. Celan entgegnete ihrer öffentlichen Verleumdung hartnäckig,
indem er die Originalität seiner Werke unter Beweis zu stellen versuchte. Ab Ende der 60er
Jahre wurde eine Reihe von den Gedichten seiner Bukowiner-Freunde veröffentlicht. Am 20.
April 1970 beging Celan ohne irgendein Vermächtnis Selbstmord. Auf seinem Schreibtisch lag
eine Zeitschrift, in der das Gedicht von Immanuel Weissglas 「ER」zu lesen war.
Die Behauptung Wolf Biermanns, ”Celan hat einige Strophen von Weissglas genial geklaut.“,
ist insofern belanglos, als in Celans 「Todesfuge」 eine konkrete Szene des Pogroms
literarisch herauskristallisiert ist. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, ein anderes Beispiel
für den Plagiatverdacht unter die Lupe zu nehmen. Im Alten Testament seien nach Meinung von
Ernst Bloch manche interpolierten Sätze aufzufinden, da die Priester, welche vor ca. 6 J
ahrhundert vor Christus in der Bibelredaktion tätig waren, aus Angst vor einer Verfolgung der
christlichen Kirche manche subversiven Passagen insgeheim gestrichen hätten. Solche
Überarbeitungen seien jedoch keine plausiblen Beweise für die Diffamierung der Größe der
Bibeltexte. Ganz im Gegenteil. Da es solche Versuche gegeben habe, könnten sich heutige
Christen -so Bloch- für die (Selbst-)Zensur derer interessieren, welche sämtliche Spuren von
revolutionären Ideen von Jesu Christus unter den Teppich kehren wollten. Diese Beweisführung
gilt in vieler Hinsicht auch für Celans Meisterwerk. Es geht hier nicht um einen akribischen
Versuch zur Feststellung der Originalität etlicher Verse, sondern in erster Linie darum,
gemeinsamen Erfahrungen der aus Bukowina stammenden, deutschen Dichter sowie ihren
literarischen Hinterlassenschaften historisch und kritisch nachzugehen.
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