Der Antisemitismus in der Sowjetunion und in der DDR. Eine sozialgeschichtliche Voraussetzung der Forschung über die jüdische DDR- Literatur
Schoro Pak
Die vorliegende Arbeit beabsichtigt, mit der Skizzierung der Judenpolitik der Sowjetunion und der
DDR gängige antisemitische Tendenzen in Osteuropa und deren Probleme zu verdeutlichen.
Sie sollte schließlich einer grundlegenden Untersuchung der DDR-Literatur dienlich sein, die
hauptsächlich vom jüdischen Leben bzw. dem Judentum handelt.
In der Anfangsphase der Sowjet-Revolution kanzelte Lenin die dauerhaften Pogrome, die seit
langem in den verschiedenen Gebieten Russlands passierten, als ungerecht ab. Dennoch hegte
er kein großes Interesse an der Daseinsberechtigung der Juden. So verwundert es nicht, dass
damals lediglich die Möglichkeit einer Assimilation bzw. Absonderung der Juden diskutiert wurde.
Relevant ist im Hinblick darauf die Tatsache, dass viele arme Aschkenasen in der Sowjetunion
während des Krieges politisch ausgenutzt und dann brutal massakriert wurden: Zwar setzten sie,
an zwei Weltkriegen beteiligt, freiwillig ihr Leben aufs Spiel, weshalb unzählige Kriegshelden aus
ihnen hervorgegangen sind. Aber die meisten Juden fielen den dauerhaften Gemetzeln Stalins
zum Opfer. Dabei machte Stalin geschickt von der Idee des Zionismus im umgekehrten Sinne
Gebrauch. Unter Beweis zu stellen ist in diesem Zusammenhang die Politik der Judenbeförderung
nach Birobishan, die 1928 von Juri Larin ins Leben gerufen wurde. Kurz danach schlug der
Sinn der ”Weltrevolution des Proletariats“ unbemerkt in den eines ”rassistischen Nationalismus“
um. Stalins Säuberungspolitik spitzte sich parallel zur nationalistischen Propaganda der
Sowjetunion weitgehend zu.
Nach der Gründung Israels setzte sich die offizielle Judenverfolgung in den Ostblockländern auf
das Schlimmste fort. Im Slánský-Prozess, der sich als ein hartes, hinterlistiges juristisches
Verfahren der Staatsgewalt erwies, wurde der angeklagte Jude, Rudolf Slánský öffentlich als
zionistischer Agent gebrandmarkt und kurz danach erschossen. Die antisemitische Verleumdung
trat auch in der DDR in Erscheinung. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlins Julius
Meyer fühlte bei einem mehrstündigen Verhör mit S. Tulpanow sein Leben bedroht und floh
letzten Endes nach West-Berlin. Der zionistisch gesinnte Deutsche Paul Merker wurde 1955
nach längeren Verhandlungen zu achtjähriger Haft verurteilt.
Die SED-Führung betrachtete die Judenfrage als belanglos, da ihr der Aufbau des Sozialismus
am wichtigsten erschien. Nicht ohne Grund kehrte Waltet Ulbricht die Abrechnung mit dem
Nazi-Regime unter den Teppich, indem er 1952 Tausenden von ehemaligen Nazis und
Wehrmachtoffizieren ihre volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung garantierte. Im Anschluss
daran löste sich 1953 die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) völlig auf. Infolge
der dauerhaften antisemitischen Vorfälle in der DDR blieb den wenigen Juden nichts anderes
übrig, als voneinander isoliert zu leben. Von daher galten sie für die Mehrzahl der Bevölkerung
nur als abstrakte Größe, mit der eine Auseinandersetzung schon allein deshalb unterbleiben
musste, weil Kenntnisse über das Judentum fehlten. Die Geschichte lehrt hier wiederum, dass
Feindbilder gegenüber anderen Rassen zum großen Teil ideologisch bedingt sind und im Grunde
von Unwissenheit und Vorurteilen herrühren.
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